Erfolg mit "Roadrunner-Eishockey"
Eishockey Info erklärt das Meister-Phänomen Eisbären
Gegen dieses Mannschaft war auch in der Saison 2005/2006 kein Kraut gewachsen und wenn sich nicht bald bei der Konkurrenz fundamentale Veränderungen vollziehen, wird es wohl im kommenden Spieljahr auch so sein: Die Berliner Eisbären dominieren derzeit das sportliche Geschehen in der Deutschen Eishockey Liga (DEL).
Eishockey Info versucht zu erklären, warum.
Torhüter:
Es mag überraschen, doch der Torhüter spielt eigentlich gar keine so große Rolle wie das woanders der Fall ist. Grund dafür ist die Defensivarbeit im Team und die offensive Spielweise. Nun soll dies natürlich keine Geringschätzung von Eisbären-Goalie Tomas Pöpperle sein. Er hat das Team nach dem Weggang von Oliver Jonas, dem man nicht wirklich eine Träne nachgetrauert hat, stärker gemacht. Doch Pöpperle wird vermutlich ohnehin kein Teil der langfristigen Planungen von Trainer Pierre Pagé sein - Pöpperles Ambitionen liegen jenseits des großen Teiches.
Verteidigung:
Hier verbirgt sich der erste große Unterschied zur DEL-Konkurrenz. Die Eisbären-Defensive ist gleichzeitig ein vollwertiger Sturm. Intelligente Spielgestalter wie Derrick Walser aber auch Deron Quint oder Micki DuPont haben hier das Sagen. Sie können Spiele allein entscheiden. Vor allem in den Play-Offs haben sie den Löwenanteil zum Erfolg beigetragen. Die Berliner Verteidigung ist stets schwer auszurechnen, man muss in jeder Situation mit einem Schlagschuss auf das Tor rechnen und hinten wird kompromisslos verteidigt und früh gestört. Mit Derrick Walser, der ja nicht umsonst zum "MVP" gekürt wurde, haben die Eisbären den wohl besten Offensiv-Verteidiger, der zurzeit in Europa spielt.
Sturm:
Vier Reihen, zwölf torgefährliche Stürmer - das spricht für sich. Der Eisbären-Sturm ist ein Gesamtkunstwerk aus Talenten, erfahrenen Haudegen und Spielern, die einfach nur unerhört schöne Tore schießen. Vor allem der Schnelligkeit des Bären-Angriffs ist der Gegner oft nicht gewachsen. Oft konnte die Konkurrenz den Eisbären-Angreifern nur mit übertriebener Härte begegnen oder mit einem über sich selbst hinauswachsenden Torhüter.
Spielsystem:
Gnadenlos offensiv. "Roadrunner-Eishockey" oder "Torpedo-System" nennen Fachleute das System, das Eisbären-Trainer Pierre Pagé seiner Mannschaft auf den Leib geschneidert hat. Es funktioniert fast immer nach dem gleichen Schema: Mit zwei, drei raumgreifenden Schlittschuhschritten wird die neutrale Zone überwunden, der Puck führende Stürmer beschäftigt mit die gegnerische Verteidigung und spielt dann den tödlichen Pass oder vollendet selbst. Manchmal wird natürlich auch kanadisch tief ins Angriffsdrittel gespielt. Dann sind die Berliner Flügelstürmer oft zuerst wieder am Puck und vollenden den Angriff.
Trainer:
Pierre Pagé spricht immer gern davon, "einen Plan" zu haben. Den hat er auch und in den ist er vernarrt. Schon mindestens zwei Kapitel dieses umfangreichen Plans hat der Kanadier verwirklicht. Die zwei Titel kann den Eisbären niemand mehr nehmen. Dabei hat Pagé den unbequemen Weg zum Erfolg genommen und sich der traditionell in Berlin gepflegten Jugendarbeit verschrieben. Oft steht er im direkten Kontakt mit jungen Spielern, sucht in den zahlreichen Nachwuchsteams der Eisbären nach Talenten oder sichtet Bewerbungen von außerhalb. So fanden selbst ausländische Nachwuchs-Cracks wie Richard Mueller und Patrick Jarrett zu Pagé und wurden im Eisbären-Dress zu vollwertigen Profis. Pagé verlangt von seinen Schützlingen Intensität und Schnelligkeit. Beides ist unabdingbar für das System des Meisters.
Schwächen:
Mancher meint, die gäbe es in Berlin-Hohenschönhausen nicht. Doch Eisbären-Coach Pierre Pagé selbst würde jenen Experten widersprechen. Ist doch der Berliner Trainer immer wieder auf der Suche nach dem Haar in der Suppe, nach dem Detail, das noch verbessert werden muss. So gesehen: Die Berliner sind ein emotionales Team, bei dem die einzige Schwäche wohl darin besteht, ab und an etwas zu kopflastig zu sein. Vor allem in der Hauptrunde gab es da das eine oder andere Spiel, in dem man zu verschnörkelt den Weg zum Tor nicht gefunden hat, während der Gegner mit einfachen Methoden den Erfolg gesucht hat. Doch letztlich waren dies Momentaufnahmen, in den Play-Offs war der Meister nur noch ein winziges Quäntchen von der Perfektion entfernt.
Zukunft:
... hat die Mannschaft auf alle Fälle. Das erklärt sich schon aus dem Altersschnitt von 23 Jahren. Wirtschaftlich wird der große Aufschwung 2008 kommen, wenn die neue Arena eröffnet wird und es endlich gelingt, mehr als nur 4.695 Zuschauern Zugang zum Spiel zu gewähren. Die neue Halle ist das dritte und vorerst letzte Kapitel im Plan von Pierre Pagé, Berlin zu einer Eishockey-Macht zu machen. Auch dieses Kapitel wird Wirklichkeit, wie mit der Grundsteinlegung für die Halle am 27. April besiegelt scheint. Und man darf nicht vergessen: Der Eishockey-Sport in Berlin-Hohenschönhausen hat viele Tiefen durchlebt. Beinahe ausradiert von DDR-Staatswillkür, im Westen abgestiegen und nach dem Aufstieg jahrelang Kellerkind gewesen. Erst mit dem "Onkel aus Amerika" kam das Geld für den Aufschwung. Und dann kam der Mann mit dem passenden Plan dazu.
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