"Trainer sollten beim Eishockey auch an die Fans denken"
Eishockey Info trifft Nürnbergs neuen Coach Greg Poss in Füssen
Was haben Fussball-Zweitligist Mainz 05 und die Nürnberger Ice Tigers gemein? Vergleichsweise günstige Mannschaften, dafür aber moderne Trainer mit gleichartiger Philosophie über Erfolg und den Weg dorthin. "Die Eishockey-Trainer müssen lernen, an die Zuschauer zu denken. Natürlich habe ich es einfacher mit dem Gewinnen, wenn ich mich geballt hinten reinstelle und auf Konter lauere, anstattt mich selbst um die Initiative zu bemühen. Aber das ist für den Zuschauer nicht attraktiv, das ist nicht Eishockey, wie er es sehen will" ,so der neue Nürnberger Coach Greg Poss, der dies jeodch nicht als Kritik an seinen Vorgänger in Nürnberg verstanden wissen will.
"Man muss einfach an das Verletzungspech letzte Saison denken, da war in Nürnberg keine andere Spielweise möglich" zeigt er Verständnis.
Wie der Coach der Mainzer Zweitligakicker will Poss das Nürnberger Team zukünftig jedoch ein Spektakel veranstalten lassen. "Je früher du den Gegner stellen kannst, umso weniger oft kann er gefährlich vor dein Tor kommen - und ausserdem kannst du selbst wieder früher angreifen" so das Credo beider Trainer.
Nach dem ersten Eis-Training seiner Mannschaft im Bundesleistungszentrum Füssen am gestrigen Freitag Abend zeigte sich Poss gegenüber Eishockey Info überzeugt, dass sein Team das neue System schnell verinnerlichen und umsetzen wird. "Ich möchte mit viel Druck spielen lassen, Pressing, aggressiv in den Zweikämpfen. Die Mannschaft soll emotional spielen und diese Emotionen sollten dann auch auf die Fans überspringen" wünscht sich Poss, was Fussball-Kollege Klopp in Mainz bereits bestens gelungen ist.
"Wir stürmen mit 5 Mann, wir verteidigen aber auch mit 5 Mann. Für eine solche Spielweise haben wir auch den richtigen Kader, die passende Mischung aus erfahrenen und jungen Spielern. Dazu mit Frederic Chabot ja auch den besten Torwart der Liga. Die Spieler haben alle die dazu nötige körperlich Fitness, soweit ich das bis jetzt beurteilen kann. Hier in Füssen werden wir jetzt natürlich auch noch auf diesen Bereich schauen. Ich mache das Sommertraining im übrigen selbst mit, auch um selbst zu spüren, wie ich dieses Training dosieren muss, damit es optimal ist" so der drahtige Coach, der den Weg von der Unterkunft in Pfronten zu den Trainingseinheiten im BLZ mit dem Fahrrad statt mit dem Mannschaftsbus zurücklegt.
"Am System werden wir hier noch nicht arbeiten, das machen wir dann in Nürnberg. Techniktraining, die neuen Spieler, soweit sie schon dabei sind, integrieren, wieder das Gefühl fürs Eis vermitteln, stehen neben dem konditionellen Teil im Vordergrund."
Einen guten Start wünscht sich Poss, der dabei auch auf die schnelle Integration der neuen Spieler und somit ein schnell entstehendes Gemeinschaftsgefühl hofft. Den legendären Satz des angesprochenden Mainzer Trainers Jürgen Klopp "Wir sind einfach geil auf Erfolg" lässt er auch für sich und sein Team gelten. Deshalb gibt auch Poss keinen Tabellenplatz als Saisonziel aus - wenn es natürlich auch zum Einzug in die Play-Offs reichen soll. "Wir werden in jedem Training hart arbeiten und dann immer von Spiel zu Spiel schauen. Wenn wir dort dann unsere Philosophie umsetzen, wie ich das möchte, werden wir auch den verdienten Erfolg ernten - für uns und die Fans"
Ein Prüfstein dafür liegt praktisch vor der Haustür:"Ich halte Ingolstadt in dieser Saison für eine sehr starke Mannschaft, neben Mannheim, den Eisbären und Köln einer meiner Favoriten. Da können wir finanziell einfach nicht mithalten. Aber das bedeutet andererseits ein gutes Derby. Und ich finde, es ist wichtig, gerade in einem Derby einen starken Gegner zu haben. Sonst entwickeln sich doch die entscheidenden Reize gar nicht, der Kampf, die Spannung!"
Viel wird tatsächlich davon abhängen, wie schenll die Mannschaft als Einheit zusammenwächst. Welchen Erfolg man als geschlossenes engagiertes Team trotz niedriger Etats haben kann, zeigten nicht nur die bereits mehrfach angesprochenen Mainzer Fussballer. "Letzte Saison haben wir sogar mit Iserlohn ja auch fast noch die Play-Offs erreicht" verweist Poss auf eigene erfolgreiche Erfahrungen mit solchen Situationen.
So sieht Poss auch keinen Grund, eine eher ungewöhnliche Angewohnheit in Nürnberg abzulegen:"Ich werde auch in Nürnberg mit dem Fahrrad zum Stadion fahren anstatt mit dem Auto". Allerdings wohl weniger aus Aberglaube. "Ich bin so in zehn Minuten am Stadion. Das Radfahren tut einfach gut. Und hier ist auch alles schön flach" strahlt der Neu-Nürnberger Radfan.
Stichwort Radfahren: In einer radsportlichen Traditionsstadt wie Nürnberg passt ein solcher Trainer natürlich hin. Da darf in diesen Tagen ein Blick zur Tour de France nicht verwundern. Wer denn seiner Meinung nach nun die härteren Sportler seien, Eishockeyspieler oder Radsportler. Gerade mit Blick auf die Leiden eines Tyler Hamilton, der sich erneut mit Knochen(an)brüchen sehr erfolgreich durch eine große Rundfahrt quält, im letzten Jahr vor Schmerz gar im wahrsten Sinne des Wortes so auf die Zähne biss, dass diese im Winter behandelt werden mussten. "Das ist schwer zu sagen, denn Eishockeyspieler nehmen ihre Zähne ja vorher immer heraus" wand sich Poss hier geschickt aus der Klemme.
Probleme bereitet ihm allerdings die Antwort auf die Abschlussfrage: Gewinnt mit Jan Ullrich nun ein Deutscher, oder doch sein Landsmann Lance Armstrong die Tour? "Mmmhh, das ist schwierig. Ich arbeite ja nicht nur in Deutschland, meine Frau ist ja auch Deutsche. Ich war in den letzten Wochen auch noch sehr beschäftigt mit den Transfers und solchen Dingen, da habe ich die Tour nicht so intensiv verfolgen können. Na, aber ich denke doch, dass es Armstrong gelingt, die Tour zu gewinnen", entschied er sich dann nach einigem Überlegen doch noch zu einer Prognose.
Bleibt aus Sicht der Nürnberger zu hoffen, dass Poss in diesem Punkt irrt - aber nur in diesem. Denn dann können die Fans der Ice Tigers in der neuen Saison nach den Spielen wieder davon sprechen, ihre Ice Tigers erlebt, statt nur gesehen zu haben.
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