"Eishockey war mir in die Wiege gelegt worden"
Interview mit Joshua Norris von Ivo Jaschick
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Joshua Norris. Foto: NHL Media.
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Interview
Joshua Norris ist der Mittlere der drei Jungs von Traci und Dwayne Norris, der von 1996 bis 2007 in Deutschland aktiv war. Josh schaffte in diesem Jahr den Sprung in die NHL. Zusammen mit Tim Stützle wohnt er in Ottawa und sammelte 30 Punkte in 47 Spielen.
Hallo Josh, wie sieht es aus, sollen wir das Interview lieber auf Deutsch oder Englisch führen?
Ich denke, wir sollten es auf Englisch machen, da ich doch schon sehr lange aus Deutschland weg bin und ich hier nicht allzu viele Möglichkeiten habe Deutsch zu reden. Jetzt mit Tim (Stützle) spreche ich zwar manchmal ein wenig Deutsch, aber eher selten! Ja, das hört sich gut an, sollte ich eine Ihrer Fragen nicht verstehen, können wir es auf Deutsch versuchen!
Sie sind in Oxford nahe Detroit, Michigan, geboren, weil es nach der Saison war. Ihr Vater Dwayne, stand nämlich zu der Zeit bei den Kölner Haien unter Vertrag. Aber aufgewachsen sind Sie in Köln und in Frankfurt!
Ja, meine Eltern leben immer noch dort - es ist ungefähr eine Autostunde von Detroit entfernt! Meine Mutter war damals wohl schon etwas früher zurückgekehrt und mein Vater folgte direkt nach dem Saisonende. Klar, so lange Coale (23), Dalton (19) und ich (21) noch nicht schulpflichtig waren, sind wir immer direkt nach der Saison zurück in die USA und den Rest waren wir in Deutschland, zuerst in Köln - woran ich kaum noch Erinnerungen habe, dann in Frankfurt.
Besitzen Sie eigentlich zwei Staatsbürgerschaften?
Nein, ich hätte auch einen deutschen Pass bekommen können, aber ich besitze nur meinen amerikanischen! Ja, sollte es mal zu der Konstellation kommen, dass ich in der DEL spielen würde, könnte ich wohl als "Deutscher" spielen. (lächelnd) Aber ich denke, dass ich mir darüber erst einmal den Kopf nicht zerbrechen muss, da ich so lange es eben geht in der NHL spielen werde.
Sie sind ein sogenanntes "Sandwich-Junge" - einer von dreien (Coale, Dalton) und dann noch in der Mitte!
(lachend) Ja, das ist wahr! Und alle spielen Eishockey und das ist auch kein Wunder, da sich bei uns in der Familie sowieso alles um Eishockey gedreht hat und sich in Michigan auch alle mit Eishockey beschäftigen. Detroit hat ja nicht umsonst den Beinamen "Hockeytown"! Mein großer Bruder Coale spielt an der Ferris Universität (National Collegiate Athletic Association {NCAA}) auf dem linken Flügel, während Dalton in Bowling Green (Kentucky) für das dortige Universitätsteam verteidigt.
Obwohl Sie alle drei im "Fußballland Deutschland" einen Großteil Ihrer Kindheit verbracht haben, sind Sie standhaft geblieben und haben sich nicht von der Eishockeykarriere abbringen lassen! Spielten dabei auch Ihr Vater (Dwayne Norris, Meister Köln & Frankfurt) sowie Onkel (Warren Norris, Meister in England, Österreich, der Schweiz und Slowakei) eine Rolle?
Ja, definitiv! Ich konnte meinen Vater jeden Tag auf dem Eis sehen, ich sah ihn spielen, Tore schießen, den Jubel der Fans - es war schon imponierend. Ich wollte wie er sein! Ich bin mit dem Eishockey aufgewachsen, konnte an allen Erfolgen und an allem Drumherum teilnehmen - mein großer Bruder spielte auch - für mich gab es also nichts anderes! Natürlich habe ich auch mal mit den Freunden Fußball gespielt, aber Eishockey war mir in die Wiege gelegt worden.
Zuerst waren Ihre Idole also in der Familie zu suchen, doch dann kamen bestimmt auch andere Eishockeystars hinzu!
(wie aus der Pistole geschossen) NHL-Star Sid Crosby! Zu ihm habe ich bewundernd aufgeschaut. Es war mir immer eine Freude, die Spiele seiner Pittsburgh Penguins und ihn "zaubern" zu sehen. Er hat mich immer so beeindruckt und macht es immer noch!
Sie hatten Ihre Vorbilder, Idole (zuerst Vater Dwayne, Onkel Warren, ??. schließlich Crosby) - jetzt sind Sie selber das Idol vieler heranwachsender Eishockeyspieler - wie fühlt sich das an?
Es ist schon ein komisches Gefühl, wenn ich auf meine eigene Kindheit zurückschaue - ich wollte sein, wie mein Vorbild! Ist man in derselben Situation, wird man sich auch einer gewissen Verantwortung bewusst, die man hat. Aber es ist gleichzeitig auch etwas Schönes, auf das ich stolz sein kann! Jedoch bin ich mir noch gar nicht so sicher, dass Kinder so sein wollen, wie ich - dazu habe ich noch nichts Besonderes geleistet!
Ihr Vater hatte die Rückennummer 14 - warum tragen Sie die "9"?
(schmunzelnd) So genau kann ich es auch nicht sagen, aber ich mochte die "9" und wollte auch etwas anders machen. Ich wollte meine eigene Identität haben!
Mit 10 Jahren zogen Sie nach Amerika - fiel die Umstellung auf das etwas andere amerikanische Eishockey schwer? Worin lag der größte Unterschied?
Was einem direkt ins Auge fällt, ist die Größe der Eisfläche! Daraus resultiert meines Erachtens ein härterer Kampf, ein intensiveres Spiel. Die kleinere Eisfläche bedeutet gleichzeitig weniger Zeit zur Puckkontrolle und somit ein schnelleres Spiel. Aber nichtsdestotrotz kommen aus Deutschland sehr gute Talent, die auch Stars in der NHL werden. Das beste Beispiel ist (Leon) Draisaitl oder hier bei meinen Ottawa Senators Tim Stützle! Es sind schon einige Deutsche hier, aber natürlich mehr Amerikaner, was auch an der Vielzahl der Spieler hier liegt.
Was liegt Ihnen mehr, ist es das europäische Eishockey auf der großen Spielfläche, oder das hier in der NHL? Beschreiben Sie mal Ihren Spielstil!
Ich denke, dass ich den europäischen Stil mit etwas mehr Zeit genauso gerne spiele. Ich kann nicht sagen, was ich bevorzuge. Hier muss man noch schnellere Entscheidungen treffen, es scheint alles viel rasanter zu sein. Man kann den Puck nicht so lange führen. Beide Stile haben ihre Vorteile. Ich denke, ich könnte mich schnell auf das jeweilige Spiel einstellen.
Um auf den zweiten Teil der Frage zurückzukommen, kann ich sagen, dass ich sowohl offensiv als auch defensiv ganz gut arbeiten kann. Mein Coach schenkt mir in der Offensive, wie in der Defensive viel Vertrauen, bei den Faceoffs habe ich ganz gute Werte - kurzum, ich kann in beiden Situationen eingesetzt werden.
Sie haben, Stand 29.04., 32 Skorerpunkte auf Ihrem Konto - 15 Tore, 17 Vorlagen!
Ja, es könnten wohl einige mehr sein, aber man sollte bedenken, dass es mein erstes Jahr in der Liga ist und ich lerne von Spiel zu Spiel. Ich hoffe, dass meine Punkte Produktion noch weiter ansteigt. Ich merke schon, dass mein Selbstvertrauen immer größer wird, ich mit dem wachsenden Selbstvertrauen auch immer selbstverständlicher in der NHL spiele. Die NHL ist keine einfache Liga und für das erste Jahr gebe ich keine allzu schlechte Figur ab!
Zu welchem Zeitpunkt wurde Ihnen bewusst, ich werde NHL spielen - ein Traum wurde wahr.
Es war schon relativ früh klar, dass ich Talent, Potential für eine Profikarriere hatte und der Traum eines jeden Eishockeyspielers, einmal in der NHL spielen zu können, war immer da und in meiner Juniorenzeit wurde es immer realer! Als ich dann gedraftet wurden war, rückte die Realisierung des Traumes immer näher (es gibt einige Beispiele von gedrafteten Spielern, die nie NHL gespielt haben!). Als ich bei meinem ersten Spiel als Senator auf dem Eis stand, war der Traum Realität!
Sie wurden 2017 von den San Jose Sharks gedraftet, haben aber nie in Kalifornien gespielt - 2018 ging es nach Ottawa, wo Sie jetzt spielen! Was war geschehen?
Ja, ich wurde Bestandteil eines großen Tausches - die Sharks wollten von den Ottawa Senators einen der besten, oder den besten Verteidiger überhaupt haben, Erik Karlsson! Um ihn zu bekommen mussten sie schon ziemlich tief in die Tasche greifen, gaben einige Draftpicks ab. Und ich gehörte halt dazu! Aber so ist es halt in der NHL. Ich bin sehr froh hier spielen zu dürfen, wir haben eine tolle junge Truppe, die sich noch weiter entwickeln wird - die Senators haben eine rosige Zukunft!
Im Augenblick ist Ottawa im Neuaufbau, durch viele frühe Draftpicks wird gerade ein neues Team gebildet, wie es die New York Islanders auch machten - und Sie sind ein Bestandteil davon!
Ja, wir "hinken" etwas hinterher - momentan - wir haben einige neue zu integrieren und müssen Erfahrung sammeln, ich zähle auch dazu. Es dauert schon seine Zeit, um ein schlagkräftiges, junges Team zu formen. Wie Sie gerade die Islanders angeführt haben, gibt es einige Beispiele von Teams in der Vergangenheit, die trotz guter Tauschgeschäfte und frühen Picks eine ganze Zeit brauchten, um wieder hoch zu kommen. Wir haben auch schon sehr gute Einzelteile, Brady Tkachuck - mit dem ich schon im US Team zusammengespielt habe, Timi (Stützle) und noch einige mehr. Wir haben wirklich sehr viele gute Spieler und wissen auch, dass wir über kurz oder lang zu einer sehr guten Mannschaft wachsen werden.
Sie haben schon sehr viele sportliche Höhepunkte in Ihrer bisherigen kurzen Karriere erlebt? Was waren Ihre schönsten?
Das ist eine schwierige Frage, da eigentlich jeder Erfolg seine Würdigung verdient hat. Mit der U-18 haben wir die Goldmedaille in der Slowakei gewonnen - das war richtig cool! Aber, was sehr schwer zu toppen sein wird, mein Draft 2017 im United Center von Chicago. Nahezu meine ganze Familie, auch die Großeltern, war anwesend, viele Freunde - es war ein Erlebnis! Die Nummer 1 ist also der Draft 2017 und die Nummer 2 alle anderen Erfolge.
Welchen Ehrenplatz hat beispielsweise der Puck Ihres ersten NHL-Tores?
Ja, das war auch ein unvergessenes Erlebnis! Gegen Winnipeg war es - der Trainer hat ihn noch, aber ich werde ihn bekommen, wenn die Saison zu Ende ist! Dann bekommen ihn meine Eltern und er wird seinen Platz in Basement finden, dort wo schon all die Trophäen meines Vaters und meiner Brüder sind. Dann wird diese Sammlung um ein weiteres Unikat reicher!
Vielleicht bekommen Sie ja auch bald eine eigene Trophäen-Ecke im Haus?
(lachend) Mal schauen, was mein Vater sagt! Es könnte ja sein!
Sie erwähnten vorhin Tim Stützle, was können Sie über ihn sagen? Außerdem habe ich gehört, dass sie beide im gleichen Haus wohnen! Sie als "Halbdeutscher" auch zur besseren Eingewöhnung Ihres neuen deutschen Mannschaftskameraden?
Ja, so in etwa! Brady (Tkachuk) wohnt auch hier und er sagte im Vorfeld, dass es doch schön wäre, mit ihm (Stützle) zusammen zu leben und ihm dadurch einiges zu erleichtern. Allem Anschein nach läuft es hier sehr gut. Er ist nicht nur auf dem Eis ein hervorragender Spieler, nein, er ist eine angenehme Persönlichkeit, mit der wir sehr gerne zusammen wohnen. Er ist ein fester und wichtiger Teil der Zukunft der "Ottawa Senators"! Klar, unser Zusammensein hat auch schöne Seiten für mich, so nehme ich diese Gelegenheit gerne wahr und frische meine Deutschkenntnisse etwas auf. So ist es für beide Seiten eine positive Sache. Wir drei (Brady, Tim und ich) sind noch sehr jung und es sieht so aus, als hätten wir alle hier sehr viel Spaß hier!
Könnte ich sagen, dass die Zukunft der Senators zusammen in einem Haus wohnt?
(lachend) Wir alleine sind nicht die Zukunft, wir sind ein Teil davon! Das Team der Senators ist wie ein Puzzle, mit jedem "passenden Stein" kommen wir dem Ziel näher! Es braucht halt seine Zeit. Es sind nicht nur wir drei, aber wir sind froh, dass wir ein hoffentlich "passendes Teil" der neuen Senators sind! Wir pushen uns alle gegenseitig und wollen das Beste geben, um unser Team wieder nach oben zu bringen, zu einem Stanley-Cup-Aspiranten - und wir wollen unbedingt ein Teil davon sein!
Wie sehen Ihre Ziele für diese Saison aus?
Wir haben nur noch ungefähr 20 Spiele zu machen und wir sind auf dem letzten Platz der Liga. Aber trotzdem spielen wir gar nicht so schlechtes Eishockey! Man konnte auch sehen, dass wir uns ständig verbessert haben - individuell sind wir gewachsen. Ich glaube, dass ich mich auch noch weiterentwickelt habe und wir jetzt den nächsten Schritt nach vorne nehmen und aus den verbleibenden Partien noch ein paar Siege mitnehmen können.
Ich hörte, dass alle drei "Norrise" mal, wenn es geht, zusammen in Deutschland spielen wollen? Vielleicht eine "Norris-Reihe" bilden wäre ein Traum!
Ja, ich würde es irgendwann einmal machen wollen - ich weiß nur nicht wann! Ich könnte es mir so am Ende meiner Karriere vorstellen. Oder wenn wieder mal ein Lockout käme. Ich würde es sehr gerne machen, dort spielen, wo alles anfing! Und dann noch mit meinen beiden Brüdern in der gleichen Mannschaft! Nur eine "Norris-Reihe" könnte nicht zustande kommen, da Dalton in der Verteidigung spielt! Ich weiß, dass die anderen beiden sehr gerne drüben spielen würden - warten wir´s ab, bis die Zeit reif ist!
Mir kam zu Ohren, dass Kontakte zu den Mannheim Adlern bestand, falls die NHL diese Saison nicht spielen sollte!
Ja, ich war ganz kurz davor nach Mannheim zu gehen! Aber dann kamen plötzlich Restriktionen wegen "Covid" und der ganze Plan fiel ins Wasser. Mein Agent stand mit den Adlern in Kontakt. Sie hatten wohl auch schon etwas ausgearbeitet, ich stand parat, aber leider ist es nicht zustande gekommen.
Was ist eigentlich Ihre Lieblingsmusik? Heavy Metal, Pop, Rock, ?
Nichts von alledem - meine Favoriten kommen aus dem Bereich der Country Musik!
Wären Sie kein Eishockeyprofi geworden, welchen Beruf hätten Sie ergriffen?
Ich war überhaupt im Sport ganz gut und Baseball hatte es mir angetan. Ich hätte versucht dort Fuß zu fassen.
Einen Tag in Ihrem Leben könnten Sie eine andere Person sein - wer wäre es? Mr. Präsident, Marylin Monroe, ? egal wer!
Könnte ich zwei nehmen? Einen Tag Justin Bieber und danach der Baseballspieler Derek Jeter (New York Yankees).
Vollenden Sie den Satz: Ein Leben ohne Eishockey ist ??
... unvollständig!
Vielen Dank und bleiben Sie gesund!
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