DEL	15.09.2008, 15:26

DEL-Wochenendrückblick: Die Macht der Emotionen

Eishockey-Hysterie in Berlin - Trainer-Hysterie in Köln

Vielen ging der Trubel um die Berliner Eisbären und ihre neue Super-Halle 02-World in den letzten Tagen schon zu weit. Und in der Tat waren die Superlative, mit denen vor allem die Berliner Boulevard-Presse die gelungene Heimspielpremiere der Berliner am Sonntag beschrieben, ein bisschen übertrieben. Aber man muss sich dieses Phänomens schon einmal annehmen: Wie ist das, wenn die Emotionen die Macht über den Menschen übernehmen?

Die O2-World und ihre Wirkung auf Spieler, Fans, Gäste und Umfeld ist da schon ein gutes Feld für Beobachtungen. Auch als eingefleischter Eishockey-Journalist muss der Autor dieser Zeilen gestehen, von der Atmosphäre in der Halle am Sonntagnachmittag übermannt worden zu sein. Alles war wunderbar und doch seltsam entrückt. Überall Anglizismen, selbst der Assistenz-Stadionsprecher und Animateur sprach mit spürbar englischem Akzent. Die Angestellten sind keine Mitarbeiter mehr, sondern der "Guest Service" der VIP-Block ist zur Entertainment-Suite geworden. Aber gut, das Programm, was die O2-World für die 14.000 Fans bereithielt, war so vorherzusehen. Das sind die Multiplex-Arenen US-amerikanischer Prägung und die O2-World ist sicher ein ganz besonders gelungenes Exemplar.

Aber zurück zu den Emotionen. Ein "Eishockey-Spiel" im eigentlichen Sinne war das nicht am Sonntagnachmittag in Berlin. Unten auf dem Eis spielten zwei Teams, die sportlich nichts miteinander gemein hatten. Die Augsburger präsentierten sich hilflos wie ein Kreis-Kickerverein, der ein Trainingsspiel gegen Manchester United gewonnen hat. Die Berliner dagegen produzierten Tore am Fließband. Vor allem die neuen Zuschauer in der Halle wussten oft nicht wie ihnen geschah. Dazu der Lärm, die Musik und die blitzenden Lichteffekte - für ungeübte Zuschauer war das eine multimediale Reizüberflutung, auch wenn man sich beim Rahmenprogramm zum Beispiel im Vergleich zur ColorLine-Arena Hamburg noch sehr zurückhielt. Auch in der Pressekonferenz nach dem Spiel ging es weniger um den Sport, als eher um die Halle. Ein Reporter erkundigte sich nach der Eisqualität, andere Kollegen wollten von AEG-Geschäftsführer Detlef Kornett wissen, was Herr Anschütz gerade privat so treibt und warum dieser nicht in der Halle gewesen sei. Berlin war im Bann der Emotionen.

Soweit die positive Seite. In Köln durfte man zuletzt erleben, dass auch negative Emotionen rationellen Erwägungen im Weg stehen können. Gottlob behielt mit Thomas Eichin ein Mann die Übersicht und zeigte aufkeimender Trainerentlassungs-Hysterie um KEC-Coach Doug Mason gleich die rote Karte. Denn nach dem miserablen Saisonstart der Kölner Haie, in deren Umfeld Erfolgsdruck ein ständiger unbequemer Wegbegleiter ist, war die Trainerfrage am Sonntag in der LANXESS-Arena die am meisten gestellte. Dabei muss man sich vergegenwärtigen, was in Köln bisher geschah. Die Mannschaft gute Spiele gezeigt, auch weniger gute. Aber ein Handlungsbedarf, speziell beim Trainerpersonal etwas zu verändern, hat sich nun ganz sicher noch nicht offenbart. Und wie aussagekräftig die momentane Tabellensituation ist, hat sich doch gerade in Berlin gezeigt, wo "Tabellenführer" Augsburg von den Eisbären mit 0:11 abgefertigt wurde. Zeigen die Haie am kommenden Wochenende so ein Spiel wie die Eisbären - wozu sie theoretisch durchaus imstande wären - wäre Doug Mason schnell wieder der Held.

Emotionen mischen übrigens auch beim Erfolg der Kassel Huskies mit. Man sollte sehr vorsichtig sein, was die weiteren Prognosen für den wackeren Aufsteiger angeht. Denn natürlich schwimmt die Truppe von Stephane Richer auf einer Euphorie-Welle, die irgendwann einmal abebben wird. Dann erst wird man wissen, wo die Huskies am Ende der Saison stehen können.

Niemand vermochte es bisher, die Deutungshoheit über Emotionen zu erlangen, geschweige denn sie zu beherrschen. Aber das ist ja auch ganz gut so, es ist das Salz in der Suppe, auch wenn wir uns manchmal selbst ein bisschen zu viel aus dem Salzstreuer zumuten.

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